Was Ihr im Folgenden lesen werdet ist eine kleine Anekdote, ein kleines Fettnäpfchen...
In Euren Augen ist es wohl eher eine großräumige Friteuse, eine zugegebenermaßen außerordentliche Peinlichkeit, aus der ich für mich persönlich eine wahnsinnig wichtige Lehre für mein medial vernetztes Umfeld gezogen hab - Unterschätze niemals einen alten Mann im Clownsjackett!
Die Geschichte trug sich wie folgt zu:
Schauplatz des Geschehens war wieder einmal meine geliebte Rheinbahn. Ich war auf dem Weg zur Uni -verspätet wie eh und je, versteht sich. Dies brachte mir aber den Vorteil, regelmäßig in den Genuss eines sonst nur hart erkämpften Sitzplatzes zu kommen. Ich saß also vollkommen tiefenentspannt auf meinem Platz und überlegte, wie ich mich heute wohl möglichst unauffällig in den Hörsaal schleichen konnte, ohne mich vom mahnenden Blick des Professoren durchbohren zu lassen. Ich saß alleine auf einem Zweiersitz (wahlweise nach Körperbau auch Dreiersitz, also der Reihe, die eigentlich für Mütter mit Kinderwägen oder Behinderte bestimmt ist, die aber gerne auch von Radfahrern genutzt wird und der immer ein anderer Zweier-/Dreiersitz gegenüberliegt). Jedenfalls saß ich nun sehr entspannt da und beobachtete gelangweilt, halb dösend die ein- und aussteigenden Fahrgäste. Wenige Haltestellen bevor ich mein Ziel erreicht hatte, weckte ein besonders schrulliges Pärchen mein Interesse.
Die Dame und der Herr, die in der Sitzreihe mir gegenüber Platz nahmen, hätten ulkiger nicht aussehen können. Die Dame, mit Sicherheit gute 60, bestach durch knallorangene Gummistiefel und einen Flickenmantel, der tatsächlich aus Topflappen-ähnlichen Flickentüchern zusammengesetzt zu sein schien. Der Mantel bedeckte ihre wuchtigen Beine bis über die Knie. Zwischen den Gummistiefeln und dem Mantel ließ sich ein Streifen einer hellblauen Cordhose erahnen. Die Dame trug eine messingfarbene Brille auf ihrer Nase, mit eng beieinander stehenden, runden Brillengläsern, die für sich genommen, kaum größer waren als eine 1 Euro Münze. Das zarte Brillengestell wurde geradezu malerisch von weißgräulichen, feinen Löckchen umrahmt, die aus einer elegant eingedrehten Hochsteckfrisur fielen. Vollendet wurde diese Erscheinung durch einen kräftigen, violetten Lippenstift, den die außergewöhnliche Dame großzügig auf ihren spitzen Lippen aufgetragen hatte. Es fiel mir verständlicherweise äußerst schwer meinen Blick von dieser regelrechten Erscheinung abzuwenden, aber irgendwann, vermutlich beim Einfahren in eine scharfe Kurve, fiel mein Blick auf den Herrn, mit dem die Dame die Bahn betreten hatte.
Dieser, ebenfalls im fortgeschrittenen Alter von Mitte bis Ende 60, hatte beim Einsteigen in die Bahn eine Zeitung, zwei Zeitschriften, einen Aktenkoffer und zwei Thermoskannen bei sich. Er trug eine graue, feine Flanellhose und braune ebenso feine Anzugsschuhe. Unter seinem roten, viel zu engen Mantel (der mittlere Knopf drohte abzureißen) trug er ein Jackett, dass von Clownsgesichtern übersät war und passend dazu eine Krawatte, die von bunten Luftballons geschmückt war. Nichts davon denke ich mir aus, aber wer sich des öfteren in der Düsseldorfer Innenstadt bewegt, wird daran auch keinen Zweifel hegen.
Der Herr saß vorgebeugt neben seiner Frau, wie ich annahm, und las angestrengt mit zusammengekniffenen Augen seine Zeitung. Die zwei Zeitschriften hatte er umständlich zusammengerollt und in den Zwischenraum von Sitzplatz und seinen Waden gequetscht. Die zwei Thermoskannen platzierte er zwischen seinen breitbeinig aufgestellten Füßen, wo sie während der Fahrt immer wieder gefährlich nah dran waren umzukippen, aber letztendlich doch brav auf ihren Platz zurückpendelten. Den Aktenkoffer hatte der Herr vor sich auf den Kofferboden gestellt, sodass er in regelmäßigen Abständen nach vorne kippte und seine Frau ihn ächzend vorgebeugt wieder aufrichtete.
Der Herr saß vorgebeugt neben seiner Frau, wie ich annahm, und las angestrengt mit zusammengekniffenen Augen seine Zeitung. Die zwei Zeitschriften hatte er umständlich zusammengerollt und in den Zwischenraum von Sitzplatz und seinen Waden gequetscht. Die zwei Thermoskannen platzierte er zwischen seinen breitbeinig aufgestellten Füßen, wo sie während der Fahrt immer wieder gefährlich nah dran waren umzukippen, aber letztendlich doch brav auf ihren Platz zurückpendelten. Den Aktenkoffer hatte der Herr vor sich auf den Kofferboden gestellt, sodass er in regelmäßigen Abständen nach vorne kippte und seine Frau ihn ächzend vorgebeugt wieder aufrichtete.
Da saß ich also, auf dem Weg zur Uni, und beobachtete ganz fasziniert dieses sonderbare Paar. Was ich als nächstes tat, bereue ich im Nachhinein zutiefst.
Ein kurzes, aber gleißend weißes Licht erstrahlte und erhellte für einen Augenblick den dunklen Waggon und meine besonderen Mitfahrer.
War das ein Blitz? Das war ein Blitz. Scheiße.
Vielleicht hatte ja keiner den Blitz bemerkt? Vielleicht kam er ja auch gar nicht von mir?
Vielleicht kam er von den freundlich lächelnden Chinesen, die zwei Sitze entfernt von uns saßen? Die waren schließlich geradezu berühmt berüchtigt dafür Fotos von allem zu knipsen - nichts für ungut!
Ich starrte immer noch wie besessen auf meinen iPod, scrollte rauf und runter, rauf und runter. Als ich der Ansicht war, genug gescrollt zu haben, hob ich langsam meinen Kopf und versuchte unauffällig einen Blick auf das Pärchen zu werfen. Die Dame war gerade dabei ihr antikes Brillchen zu putzen. Erleichtert atmete ich auf. Dann bemerkte ich jedoch den Herrn. Mit starrem Blick und eiserner Miene sah er mich an. Verdammt. Er hatte es gemerkt, es war tatasächlich mein Blitz. Ich räusperte mich und sah schnell zurück auf meinen iPod. Wenn ich lang genug auf ihm herumdrückte, konnte ich mir vielleicht vormachen, dass meine Blitzerattacke nie stattgefunden hatte. Vielleicht konnte ich so ja auch den Herrn davon überzeugen. Also starrte ich weiter unverändert meinen iPod an und ließ mein Smartphone dabei vorsichtig mit der anderen Hand verschwinden. Aus dem Augenwinkel konnte ich genau sehen, wie mich der Herr weiter hartnäckig beobachtete.
Es war also wieder so weit. Ich hatte es mal wieder geschafft mit minimalem Aufwand in eine höchst peinliche und unangenehme Situation zu geraten. Hätte sich der Boden unter meinen Füßen eröffnet, ich wäre dankend und freudig in ihm versunken. Mit heißen Ohren und klopfendem Herzen, richtete ich meinen Blick wieder auf. Ich versuchte an dem Pärchen vorbeizuschauen und den Herrn zu ignorieren. Was würde passieren? Würde er mich zurechtweisen oder gar ausschimpfen? Würde er mir eine Szene machen? Konnte ich für sowas angezeigt werden? Urheberrechtsschutz, wie war das noch gleich? Diese und ähnliche Gedanken schossen mir durch den Kopf, als ich erleichtert feststellte, dass ich in wenigen Minuten die Endhaltestelle erreichen würde und dieser wahnsinnig peinlichen Situation entfliehen konnte. Ganz langsam und bedacht rollte ich meine Kopfhörer über den iPod und versuchte dabei möglichst unauffällig zu bleiben und so wenig Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen wie nur möglich.
Aus dem Augenwinkel sah ich wie der Herr nach seinem Aktenkoffer griff. Ähnlich ruhig und bedacht wie ich, öffnete er den Zifferncode und klappte ihn auf seinem Schoß auf. In aller Seelenruhe legte er seiner Frau einige Dokumente in die Hand und holte dann zu meiner Verwunderung ein riesiges Etwas (im Nachhinein bin ich mir sicher es war ein Samsung Galaxy Note) hervor. Mit zusammengekniffenen Augen betrachtete er den Display, drückte schließlich entschieden auf ihn und richtete in gleichbleibender Seelenruhe, die Kameralinse auf mich.
(Der hochbetagte Mann des 21. Jahrhunderts bedient sich nicht mehr des altbewährten
Klotz-Handys sondern ist längst auf fortgeschrittenere Gerätschaften umgestiegen)
Mit offenem Mund starrte ich das Pärchen an. Die Situation war dermaßen skurril, dass ich nicht wusste wie mir geschah, aber aus reinem Fotoreflex beschloss ich zu lächeln und siehe da, ein heller, gleißender Kamerablitz antwortete mir. Eine bessere, schlagfertigere Antwort, hätte mir dieser hochbetagte Herr wohl nicht bieten können.
Schwer beeindruckt und noch geblendet vom Blitz, stieg ich hastig aus der Bahn, nickte dem Pärchen einmal verwirrt, aber lächelnd zu und beschloss nie wieder, niemals, jemals unter gar keinen Umständen wieder heimlich ein Foto von jemandem zu machen.
(Das Foto, das bei dieser Aktion entstand, zeigte einen Herrn mit zwei Thermoskannen und einem Aktenkoffer vor den Füßen, der ein Clownsjackett, samt Luftballonkrawatte trug und völlig überrascht von seiner Zeitung aufblickt und in meine blitzende Handykamera schaut. Einige wenige meines Bekanntenkreises durften dieses Kunstwerk betrachten, allerdings werde ich das Bild nicht hier hochladen, auch, wenn es ein ausgezeichneter Schnappschuss ist. Wie gesagt, ich habe hieraus meine Lehre gezogen.)
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